Ich liege auf einer Decke im Garten unter der Kirsche, an einem dieser warmen Spätsommernachmittage. Ein Halbrund von Büschen hat sich um den Kirschbaum gebildet, nur zum Teil von mir angepflanzt, zum Teil haben sie sich selber angesiedelt. Im Kreis des dichten Buschwerks liege ich geborgen und abgeschirmt gegen neugierige Blicke.
Ich schaue mir die Ligusterhecke zu meiner Linken genauer an und entdecke, dass im Liguster auch Eiche und Ahorn wachsen, Himbeere und Brombeere, die stachelige Berberitze und die dunkle Eibe sowie ein paar andere Sträucher, deren Namen ich nicht kenne. Was für eine Kraft diese wildwachsenden Pflanzen haben! Ich spüre ihre starke Energie, und tiefes Wohlbehagen breitet sich in mir aus.
Die alten Gartenbaumeister wussten noch um die Bedeutung des Wildwuchses für die Naturgeister und uns Menschen. In den französischen Gartenanlagen, zum Beispiel in den Herrenhäuser Gärten in Hannover, gibt es neben den abgezirkelten Beeten, Rasenflächen und Wegen auch Areale, in denen Bäume und Sträucher frei wachsen dürfen, Horte von Lebenskraft.
In meinem Garten versuche ich, Wildnis und Kultur in der Waage zu halten. Was nicht immer so einfach ist, da ich neugierig bin auf alles, was sich auch ohne mein Zutun entfalten möchte.
Einmal im Jahr muss ich das Meer sehen, Ostsee, Nordsee oder das Mittelmeer, Hauptsache, ich spüre diese unglaubliche Weite, das Blau bis zum Horizont, das mit dem Blau des Himmels verschmilzt. Schnee bedeckte, hohe Berge locken mich nicht so intensiv, sprechen nicht so tiefe Gefühlsschichten in mir an wie das Meer. Dauerhaft leben möchte ich dort nicht, auch wenn sich meine Seele einmal im Jahr mit der kraftvollen Energie des Meeres füllen und nähren muss. Zu Hause fühle ich mich überall dort auf der Welt, wo sich sanfte, grüne Hügel ausbreiten, also auch hier am Rand der Bückeberge und des Weserberglands.