November

November ist der Monat, in dem bei uns traditionell der Verstorbenen gedacht wird. Es beginnt am 1. und 2.11. mit Allerheiligen und Allerseelen. Bekannt geworden ist im Zusammenhang damit in den letzten Jahren vor allem Halloween am 31.10. Der Name ist eine Verkürzung von: All Holies Eve (der Abend vor Allerheiligen). Dann folgen im Laufe des Monats noch der Volkstrauertag und der Totensonntag.

Aus vorchristlicher Zeit stammt der Brauch in diesen Tagen Samhain oder das Dunkelheitsfest zu feiern. Oder: das Hexenneujahr. Nach dem alten Kalender, der nach den Mondmonaten (1 Mondmonat = 28 Tage) ausgerichtet war, begann Anfang November das neue Jahr.

Was hat es zu bedeuten, dass in dieser Zeit unsere Verstorbenen so stark in den Blick geraten? Das mag mit der Dunkelheit zusammenhängen, die den Kontakt mit anderen Welten erleichtert. Und noch etwas anderen kam mir in den Sinn.

Am Ende eines Jahres erinnert man sich oft an das, was vergangen ist. Wenn wir uns an diejenigen erinnern, die vor uns gegangen sind, können wir uns auch vor Augen führen, auf wessen Schultern wir stehen. Und wer uns vielleicht von der anderen Seite aus noch liebevoll unterstützend begleitet. Das kann eine Stärkung für die Herausforderungen des neuen Jahres sein. Und die haben wir dieses Jahr sicher besonders nötig.

Eine Kerze für den Frieden

Gestern sprach ich wieder einmal mit einer Freundin über die Lähmung, die die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und die zunehmende Militarisierung hier bei mir verursachen. Das Gefühl, hilflos einer Entwicklung ausgeliefert zu sein, die zu einem Weltkrieg führen kann. Um für einen Atomkrieg gerüstet zu sein, wird ja gerade in Europa ein großes Manöver durchgeführt.

Und da hatte die Freundin eine zündende Idee. Lass uns jeden Abend zwischen sechs und acht eine Kerze für Frieden anzünden. Mal eine halbe Stunde, mal länger, wie es passt. Und lass uns diesen Vorschlag weitererzählen, so dass er sich ausbreitet und bald nicht nur zwei, sondern viele Kerzen für Frieden brennen.

Was für eine einfache und geniale Idee! Es ist eine alte Weisheit, dass unsere Gedanken die Wirklichkeit erschaffen. Lasst uns miteinander jeden Tag die Vorstellung von Frieden füttern, und wenn es nur eine halbe Stunde, 10 Minuten, eine Minute ist.

Damit unterstützen wir auch die Menschen, die jetzt schon trotz aller Trauer, aller Verluste für Frieden eintreten. Die Israelis und Palästinenser, die in verschiedenen Initiativen für ein friedliches Miteinander zusammenarbeiten. Die Russen und Ukrainer, die sich nicht auseinanderdividieren lassen. Und auch die Menschen, die in unserem Land für Verhandlungen in Kriegs- und Krisengebieten eintreten.

Unglaublich?

Gestern erhielt ich von einem Freund eine Nachricht, für die mir zunächst die Worte fehlten. Das einzige, das mir einfiel war „Unglaublich!“. Es geht um Daniel Shuminov, der als Guide und Publikumsbetreuer des Historischen Museums Frankfurt suspendiert wurde.

Daniel war vier Jahre lang als Führer im Historischen Museum für die Vermittlung der Geschichte des Faschismus in Frankfurt tätig, leistete Aufklärung über die Verbrechen des Faschismus und engagierte sich gegen Antisemitismus und heutige faschistische Propaganda.

Und er war – Grund für die Suspendierung – Sprecher des Palästina-Camps „Hind`s Garden“ an der Goethe-Universität Frankfurt. Das Protestcamp wurde vielfach als angeblich antisemitisch angefeindet, aber das war es nicht.

Soll eine Aufklärung über den Holocaust nur noch von jenen durchgeführt werden können, die die israelischen Kriegsverbrechen an der palästinensischen Bevölkerung billigen? Oder es zumindest nicht wagen, sich öffentlich dagegen auszusprechen?

Was für mich fast unglaublich ist, ist die Geschwindigkeit, mit der sich meiner Wahrnehmung nach etwas in unserer Gesellschaft gedreht hat. Gedreht von einer offenen, pluralistischen Debattenkultur hin zu einer Einschränkung der Meinungsvielfalt. Eine Einschränkung, an denen die Medien mit inflationären, „erschlagenden“ Argumenten wie „Putinfreund“, „Antisemit“ und anderen entscheidenden Einfluss haben.

Ist das erst seit Corona so oder gab es schon vorher Anzeichen, die ich übersehen habe?

Das Herz in der Faust

Vor ein paar Tagen zeigte sich in einer schamanischen Reise zu dem Krieg in Israel/Palästina folgendes Bild:

Ein Herz wird von einer starken Faust fast zerquetscht.

Meine Frage, wer oder was die Faust ist, wurde nicht beantwortet. Stattdessen erhielt ich die Information, dass es darum geht, die Kraft des Herzens zu stärken. Es geht nicht darum, die Faust zu bekämpfen. Das Herz muss an Kraft gewinnen, damit die Faust loslassen kann.

Langsam, im Rhythmus meines Atems, gewinnt das Herz an Farbe und Volumen. Nicht vollständig, nur ein kleiner Schritt.

Die Lähmung

Der Antikriegstag am 1.September 2024 ging vorbei (85 Jahre nach Beginn des zweiten Weltkriegs) und der 7. Oktober ging vorüber. Ohne dass es hier in der Provinz, wo ich lebe, einen Aufschrei für Frieden gegeben hätte.

Während in der Coronazeit ständig die Rede von Experten war, auf die man hören müsse, hört man derzeit von Militärexperten in den Medien erstaunlich wenig. Hängt das damit zusammen, dass Militärs im Allgemeinen der Ansicht sind, dass bei einem Stellungskrieg verhandelt werden muss?

Auch ich war – außer in privaten Gesprächen – stumm. Wie gelähmt, nicht in der Lage, irgendetwas in Gang zu setzen. Und wenn es nur eine Mahnwache wäre.

Meiner Ansicht nach trägt zu dieser Lähmung entscheidend bei, dass in den Medien und von führenden Persönlichkeiten Äußerungen, die in Richtung Verhandlungen gehen, sofort mit den Keulen von „Antisemitismus“ oder „Putinfreunde“ erschlagen werden. Das spaltet und macht es schwer, pazifistische Positionen einzunehmen. Was keine Entschuldigung sein soll.

Freude am Alltag

Immer wieder ging mir in den letzten warmen Sommertagen das Gedicht von Rilke durch den Kopf

„Herr: ist ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

und auf den Fluren lass die Winde los.“

Ich habe das Gefühl, so einen großen Sommer gehabt zu haben. Viel Sonne, baden in Seen und im Meer, neue wunderschöne Orte kennengelernt.

Und nun freue ich mich wieder auf den Alltag! Auf die Arbeit im Garten, die vertrauten lieben Menschen, das Schreiben des Blogs…

Die Winde fegen jetzt durch die Bäume, abends brennt ein Feuer im Ofen, auf dem Herd köchelt eine Suppe. Und in mir gären die Eindrücke des Sommers und können sich langsam zur Ruhe setzen.

Ein Wunder!?

Es erschien mir wie ein Wunder. Ich war in diesem Sommer viel schwimmen – und wieder stellten sich beim Laufen Probleme mit meinem rechten Knie ein, wie ich es im letzten Sommer schon einmal erlebt hatte. Diesmal hatte ich zum Glück zeitnah einen Termin bei meiner Osteopathin.

Sie erkundigte sich genau, wie oft ich im Wasser war und ob ich Brust, Rücken oder Kraul schwimme. Ich schwimme alles durcheinander, vor allem aber Brust. Sie überlegte kurz und meinte dann, dass die Schmerzen möglicherweise nicht mit dem Knie sondern der Hüfte zusammenhängen, da ich eine lange Narbe vom Knie bis ins Becken habe.

Dann legte ich mich auf die Liege, und die erfahrene Osteopathin begann, meinen Leib zu bearbeiten. Knetete, drückte, ließ mich tief ein- und wieder ausatmen und was das osteopathische Handwerkszeug sonst noch hergibt.

Als ich nach einer kleinen Ruhepause wieder von der Liege aufstand, staunte ich nicht schlecht. Mein Knie tat nicht mehr weh! Es kam mir vor, wie ein Wunder!

Obwohl ich Wunder nicht prinzipiell ausschließe, war mir klar, dass die Heilung in diesem Fall den Kenntnissen und Fähigkeiten der Osteopathin zu verdanken ist. Sie weiß genau Bescheid über die Zusammenhänge im menschlichen Körper und kennt die notwendigen Handgriffe, um Blockaden zu lösen und Knochen, Muskeln, Sehnen und Nerven wieder in Harmonie zu bringen.

Keine Kraft für Freundlichkeiten

Kürzlich kam eine Nachbarin vorbei. Sie hatte ein köstliches italienisches Gebäck zubereitet und lud mich für nachmittags zum Kaffeetrinken ein. Im Allgemeinen bin ich für jede Art von Essenseinladung zu begeistern. Diesmal ging es mir jedoch nicht so.

Es war gegen Mittag. Ich war gerade vom Sport und Einkauf gekommen und hungrig. Die Taschen waren noch nicht ausgepackt, als mich ein unangenehmer Telefonanruf überraschte. Außerdem hatte ich am Nachmittag eine andere Verpflichtung. In dieser Situation klingelte es an der Tür.

Müde erklärte ich der Nachbarin meine Lage. Sie zeigte Verständnis und brachte mir zum Probieren ein paar Teilchen vorbei. Ich hatte kaum die Kraft, mich darüber wirklich zu freuen, obwohl ich eine große Freundin von Süßigkeiten bin. Und gleichzeitig war ich traurig. Traurig, weil ich keine Kraft hatte, diese freundliche Geste angemessen zu wertschätzen. Traurig darüber, dass der Alltag mit allem Drum und Dran einen manchmal so überrollen kann, dass keine Zeit und Kraft mehr für den Austausch von Freundlichkeiten ist.

Augusttage auf der Datsche

Es ist heiß in diesen Tagen auf der Datsche. Wir sind an einem See östlich von Berlin, im Schuppenland, wie eine Berlinerin sagt. Außer dem Wochenendhaus stehen auf dem hinteren Teil des Grundstücks der Holzschuppen, der Werkzeugschuppen, der Luftschuppen. Auf dem Weg zum See kommen wir an weiteren mehr oder weniger baufälligen Schuppen vorbei, in denen Generationen von Rasenmähern und verrostete Gartenliegen neben verrottenden Auflagen lagern.

Kurz bevor wir am See sind, werfen wir einen kurzen Blick nach rechts: Ist der Platzhirsch gerade da? Der Platzhirsch in einem imposanten Neubau ist ein Westdeutscher, der hier Land aufgekauft hat und nun behauptet, dass der Zugang zum See ihm allein gehört. Wirklich geklärt zu sein scheint der Fall nicht.

Über 30 Jahre nach der Wende sind bestimmte, ehemals selbstverständliche Nutzungsrechte für Pächter von Grundstücken erloschen. Menschen, die jahrzehntelang Arbeit, Geld und Liebe in ein kleines Stück Land und Häuschen gesteckt haben, müssen sich damit abfinden, dass sie die erhöhte Pacht nicht mehr bezahlen können oder dass das Grundstück verkauft wird und sie nicht das Geld haben, um es zu bezahlen.

Die alten Nachbarn in den Parzellen am See kennen sich seit vielen Jahren. Sie wissen, wer geschieden wurde, wieder geheiratet hat, gestorben ist. Selbst Leute, die man am liebsten von hinten sieht, werden gefragt, ob man ihnen ein Brot vom fünf Kilometer entfernten Bäcker mitbringen soll. So funktioniert das Leben hier. Bei allen Unterschiedlichkeiten und Reibereien gibt es Nachbarschaftshilfe und gegenseitige Toleranz. Das Verhalten eines Platzhirsches passt nicht in dieses Gefüge.

Und was sagt die Erde dazu? Großmütig lässt sie uns Menschen gewähren, erträgt zusammenfallende Schuppen und Streitereien und verzaubert uns immer wieder mit ihrer Schönheit. Mit der üppigen, grünen Pflanzenwelt, der Ruhe des Sees, den dahinziehenden Wolken am Himmel. Ihre Schönheit hilft uns, wieder ins Lot zu kommen, wenn wir aus der Spur geraten sind.

Es ist Zeit, uns bei der Erde zu bedanken.

Was ist heilsam für dich?

Sonntagmorgen. Mit einer Freundin komme ich ins Gespräch darüber, was jede von uns als heilsam empfindet. Ich erzähle, dass ich früher im Sommer fast jeden Sonntagmorgen schwimmen gegangen bin. In ein wunderschönes Waldschwimmbad.

Wenn über mir der blaue Himmel strahlte, ringsum die Bäume in sattem Grün leuchteten, und ich schwerelos durchs Wasser glitt, fühlte ich mich eins mit Gott und der Welt. Kümmernisse fielen von mir ab, und wenn ich zuvor unglücklich gewesen war, war ich nach dem Bad versöhnt mit mir, anderen Menschen und dem Leben.

Die Freundin erzählt, dass sie Ähnliches in einer völlig anderen Situation erlebt. Sie ist in einer ländlichen, katholisch geprägten Umgebung aufgewachsen. Nicht mit einem strafenden, sondern einem liebevollen Gott. Wenn sie heute in die Kirche und zur Kommunion geht, fällt aller Unmut von ihr ab, und sie kann das Leben wieder genießen.

Wie stärkend es ist, solch eine Erfahrung machen zu können. In unterschiedlichen Formen erlebten wir beide dasselbe, das Gefühl von Einssein mit dem Leben trotz aller Schwierigkeiten.

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