Über Yoga und Heimat

„Was bedeutet Yoga für dich?“ wurde Bea, meine Yogalehrerin, kürzlich gefragt. Sie hielt einen Moment inne und sagte dann: „Yoga bedeutet für mich Heimat.“

Bea Kleine-Wolf unterrichtet ein Yoga, bei dem es darum geht, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Mit Körper, Geist und Seele. Wie wunderbar, im Hier und Jetzt beheimatet zu sein! Dann kann man sich zu jeder Zeit und an jedem Ort auf dieser Erde zu Hause fühlen. In einem entspannten Körper, mit einem ruhigen Geist und einer wachen, lichten Seele.

Martin Prechtel, ein indigener schamanischer Heiler aus den USA, der lange bei einem Schamanen aus dem Volk der Maya gelernt hat, spricht vom Welthaus unseres Körpers. Die Aufgabe der Schamanen und Schamaninnen ist es, das Welthaus des Körpers wieder aufzubauen, wenn es verbrannt oder abgebaut, zerstückelt oder vernachlässigt ist. Zu diesem Aufbau trägt ein achtsames Yoga mit Sicherheit bei!

Unser Körper ist die Welt, und die Welt, die Erde, ist ein großer Körper. Wenn wir in unserem Körper beheimatet sind, sind wir auch in der Welt zu Hause.

Moderne Lernansätze und schamanischer Unterricht

Immer auf der Suche danach, wie altes, schamanisches Wissen sich mit dem Leben in unserer modernen Welt verbinden lässt, wurde ich auf die Stiftung „Kleine Forscher im Kindergarten und in der Grundschule“ aufmerksam.

Das große Interesse von Kindern an der Welt wird im pädagogischen Ansatz der Stiftung ernst genommen – wahrnehmen, entdecken und forschen mit allen Sinnen steht im Mittelpunkt. Die vorgeschlagenen Experimente fördern die Freude am Denken und tragen dazu bei, die kreativen Fähigkeiten der Kinder zu entwickeln.

Als ich davon erfuhr, musste ich daran denken, wie Martín Prechtel von seinem schamanischen Lehrer Nicolas Chiviliu Tacaxoy in Guatemala unterrichtet wurde. Einer der ersten Schritte war die Schulung seiner Wahrnehmung. „Horch! Wie viele Vögel singen gerade? Welche Arten? An welcher Seite deines Körpers?“ konnte der Lehrer ihn plötzlich auf einem Spaziergang fragen.

In diesem Punkt, der Schulung der Wahrnehmung, begegnen sich ansatzweise neue und alte Vorgehensweisen. In der weitergehenden Theorie beziehungsweise Philosophie werden grundlegende Unterschiede deutlich. Es wäre interessant, diese genauer zu untersuchen.

Unsere Seele – lebendiges Wasser?

„Des Menschen Seele gleicht dem Wasser: vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es…“ schreibt Johann Wolfgang Goethe in dem Gedicht „Gesang der Geister über den Wassern“. Und bei Schamanen von indigenen Völkern aus aller Welt fand ich ähnliche Beschreibungen.

Xhosa-Sangomas in Südafrika nehmen die Essenz des Lebens besonders bei den Spirits des Wassers wahr, wie John Lockley berichtet. Und Martín Prechtel erzählt in seinem Buch „The Disobedience of the Daughter of the Sun“ eine wunderbare Geschichte der Maya-Indianer aus Guatemala, in der die Seele als frisches Wasser beschrieben wird. Die große Herausforderung ist es, dem Lauf des Wassers, der Sehnsucht der Seele, zu folgen.

Das ist und bleibt auch für uns die wichtigste Aufgabe im Leben. Mag sein, dass die Wassergeister an Quellen und Bächen, Flüssen und dem Meer darauf warten, uns auf diesem Weg zu unterstützen.

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