Von einigen guten Bekannten erwarte ich, dass sie verstehen, was ich sage. Und bin dann komplett überrascht, wenn auf einen Satz, der mir völlig verständlich erscheint, eine Reaktion erfolgt, die mit dem von mir Gemeinten überhaupt nichts zu tun hat.
Ein Beispiel. Wir sprechen über Literatur, die uns interessiert. Ich erzähle, dass ich vor allem an Büchern Interesse habe, die mir eine neue Sicht auf die Welt vermitteln. Das sind für mich unter anderem Werke von afrikanischen Schriftstellerinnen und Autoren oder die Bücher der Journalistin Charlotte Wiedemann über die vielgestaltige, muslimische Welt. Ganz selbstverständlich gehe ich davon aus, dass allen klar ist, dass ich von zeitgenössischer Literatur und von der heutigen Weltlage rede.
Die Antwort einer Bekannten verwundert und verwirrt mich zunächst. Sie erzählt, dass sie schon in ihrer Kindheit in den 50er Jahren Bücher über fremde Völker gelesen hat. Was hat das mit meinem Interesse zu tun, die Welt im 21. Jahrhundert zu verstehen, frage ich mich.
Damals wurden fremde Völker vor allem als exotisch beschrieben, als „die Anderen“, unterentwickelt, aber naturverbunden. Für Ethnologen sicher interessant, aber zum Verständnis der Welt im 21. Jahrhundert – außer zu historischen Forschungen – eher ungeeignet. Ist diese Sicht auf Menschen aus anderen Kulturen noch selbstverständlich bei uns? Nach dem Motto: Sie sind Menschen wie wir, aber mit anderen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Das nennt man heutzutage “Othering”, das “Anders machen” von Gruppen, Bevölkerungsteilen, Völkern. Das Konzept von “Diversity” meint etwas anderes: nämlich dass jeder einzelne Mensch anders ist als alle anderen.
In Kenia ist ein neues Silicon Valley entstanden, IT-Experten aus Indien arbeiten in deutschen Konzernen, südamerikanische Ökonomen entwickeln Vorstellungen von einer Wirtschaftsweise, die nicht auf der Ausbeutung von Erde und Menschen beruht. Für Exotik im Gegensatz zu unserer westlichen industrialisierten Welt gibt es keinen Platz mehr, weder in der Realität noch im Denken.