Ist das Meer in allen Sprachen blau?

Die alten Griechen scheinen einen anderen Farbsinn besessen zu haben als wir. So bezeichnet Homer in der Ilias und Odyssee das Meer als weinrot. Und das nicht nur am Morgen oder Abend bei Sonnenauf- oder -untergang. Auch Ochsen und Stiere werden von ihm mit der Farbe von Wein verglichen, während wir sie als braun oder schwarz, höchstens als rotbraun bezeichnen.
In mehreren Sprachen, zum Beispiel auf dem nordamerikanischen Kontinent, wird dasselbe Wort für Grün und Blau verwendet. Andere benutzen dieselbe Farbbezeichnung für eine Pflanze, gleich in welchem Wachstumsstadium sie sich befindet, ob sie – in unseren Begriffen – grün oder verwelkt und gelb ist.
Und es gibt Sprachen, in denen es nur drei oder vier Ausdrücke für Farben gibt. Oder gab. Bei den Tschuktschen in Sibirien waren das zum Beispiel Schwarz, Weiß und Rot, auf der Insel Nias in der Südsee Schwarz, Weiß, Rot und Gelb, wie europäische Forschungsreisende im 19. Jahrhundert erstaunt feststellten.
Seit ungefähr 200 Jahren untersuchen Wissenschaftler dieses Phänomen. Letztendlich geht es dabei um die Frage, inwieweit die Muttersprache Einfluss auf unsere Wahrnehmung und unser Denken hat. Guy Deutscher stellt in seinem Buch „Im Spiegel der Sprache – Warum die Welt in anderen Sprachen anders aussieht“ spannende Thesen zu dieser Thematik auf.

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